Aus dem Schatzkästchen der

Lebensweisheiten

Woraus bestehen diese ‚Lebensweisheiten‘?

     Es sind einfache Gedanken und solche, die nicht immer auf Anhieb zu verstehen sind. Aber jede Kombination sollte beim Lesen AHA- Erlebnisse bewirken, weil sie zu unseren Lebenserfahrungen gehören und auf  psychologischen Gesetzen beruhen.      Die Gesetze nehmen wir unbewusst wahr. Die Autorinnen und Autoren der Sinnsprüche haben ähnliche Erfahrungen gemacht. Es freut uns, wenn wir Gleichgesinnte gefunden haben.      Gelegentlich treffen wir auf akrobatische Sprachgebilde, die uns wegen der kunstvollen Formulierung bezaubern.      Wie lassen sich die Begriffe Redewendung, Sprichwort und Aphorismus unterscheiden? Redewendungen sind Sprachformeln, die als Stilmittel verwendet werden, um Gesagtes oder Geschriebenes lebendiger und einpräg- samer zu gestalten. Beispiele Redewendung / Umschreibung ein Affentheater aufführen / ein übertriebenes Gebaren zeigen Hahn im Korb sein / der einzige Mann in einer Gruppe von Frauen sein mit Kanonen auf Spatzen schiessen / die Verhältnismässigkeit missachten, vollkommen überreagieren      Die Redewendung ‚Mit Kanonen auf Spatzen schiessen‘ könnte auch als Sprichwort formuliert sein, z.B. „Man soll nicht mit Kanonen auf Spatzen schiessen“. Sprichwörter sind kurze Sätze, die auf lange Erfahrungen gründen (Miguel de Cervantes) oder Sprichwörter sind allgemein bekannte, fest geprägte Sätze, die eine Lebensregel oder Weisheit in prägnanter, kurzer Form ausdrücken. (Wolfgang Mieder)      Bei den Sprichwörtern liegt der Schwerpunkt auf ‚Lebensregel und ‚Weisheit‘. Sie können so zu Lebenshilfen werden. Sie sind Volksgut. Die Sprache ist oft bildhaft. Besonders einprägsam sind gereimte, kurze Zweizeiler, z.B. Was ich nicht weiss, macht mich nicht heiss Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen Sprichwörter werden nicht mehr so häufig zitiert, obwohl sie die Lebenserfahrungen ganzer Volksgruppen widerspiegeln und so einen Schatz bilden, der sich noch heute zum persönlichen Vorteil verwenden lässt.      Die mittelalterliche Bevölkerung setzte sich zusammen aus dem Adel, dem Klerus, den Handwerkern und der bäuerlichen Landbe- völkerung. Letztere war zahlenmässig die grösste Gruppe. Die meisten waren Analphabeten, hatten aber ein gewisses Verständ- nis für das Rechnen, weil sie sich auf den Märkten mit den unter- schiedlichsten Masseinheiten und Münzsystemen auseinander- setzen mussten.      Das Wissen der Landbevölkerung und der Handwerker wurde in kurzen Merksätzen, Sprichwörtern und Redewendungen überlie- fert. Die Interessantesten und Lehrreichsten sind zeitlose Sprach- gebilde, die heute noch viel zum Verständnis alltäglicher Begeben- heiten beitragen können. Bildhafte Darstellung von über 100 Sprichwörtern und Redewendungen des niederländischen Malers Pieter Bruegel der Ältere.

Sprichwörter – Beispiele

Sprichwort / Bedeutung Der frühe Vogel fängt den Wurm / Wer sich zuerst mit einer Chance beschäftigt, hat die Möglichkeit, sie zu nutzen Die Zeit heilt alle Wunden / Die Zeit heilt alle körperlichen und seelischen Verletzungen Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer / Ein erstmaliges Ereignis muss sich nicht zwangsläufig wiederholen Aphorismen sind Formulierungen einzelner Gedanken, Urteile, Lebensweisheiten, die in einem Satz oder wenigen Sätzen selbständig bestehen können. Die Autorin oder der Autor ist in der Regel bekannt. Beispiele Wer das erste Knopfloch verfehlt, kommt mit dem Zuknöpfen nicht zu Rande (Johann Wolfgang Goethe) Ich weiss nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber es muss anders werden, wenn es besser werden soll (Georg Christoph Lichtenberg) Es ist dumm, sich über die Welt zu ärgern. Es kümmert sie nicht (Marc Aurel) Geflügelte Worte werden als selbständige Kategorie geführt. Es sind literarische Zitate, Gedanken und Aussagen, die nicht die typische Form eines Aphorismus haben, zum Beispiel: „Veni, vidi, vici“ (Caesar) „Ich kam, sah und siegte“.      Die überhebliche Formulierung lässt sich trefflich mit dem japanischen Sprichwort „Generäle siegen, Soldaten fallen“ kontern.      Sokrates war auf seine Art provokant. „Ich weiss, dass ich nichts weiss“. Caesar wurde ermordet, Sokrates musste den Giftbecher trinken. Beide wurden berühmt, endeten aber erbärmlich.      Die Formulierung ‚geflügelte Worte‘ existierte schon im Altertum. Sie wurde von Georg Büchmann für seine Zitatensamm- lung als Titel verwendet (Erstausgabe 1864). Das Buch wurde zu einem Bestseller und durfte in keiner Hausbibliothek fehlen. Georg Büchmann

Aus dem

Schatzkästchen der

Lebensweisheiten

Woraus bestehen diese ‚Lebensweisheiten‘?

     Es sind einfache Gedanken und solche, die nicht immer auf Anhieb zu verstehen sind. Aber jede Kombination sollte beim Lesen AHA-Erlebnisse bewirken, weil sie zu unseren Lebenserfahrungen gehören und auf  psychologischen Gesetzen  beruhen.      Die Gesetze nehmen wir unbewusst wahr. Die Autorinnen und Autoren der Sinnsprüche haben ähnliche Erfahrungen gemacht. Es freut uns, wenn wir Gleichgesinnte gefunden haben.      Gelegentlich treffen wir auf akrobatische Sprachgebilde, die uns wegen der kunstvollen Formulierung bezaubern.      Wie lassen sich die Begriffe Redewendung, Sprichwort und Aphorismus unterscheiden? Redewendungen sind Sprachformeln, die als Stilmittel verwendet werden, um Gesagtes oder Geschriebenes lebendiger und einprägsamer zu gestalten. Beispiele Redewendung / Umschreibung ein Affentheater aufführen / ein übertriebenes Gebaren zeigen Hahn im Korb sein / der einzige Mann in einer Gruppe von Frauen sein mit Kanonen auf Spatzen schiessen / die Verhältnismässigkeit missachten, vollkommen überreagieren      Die Redewendung ‚Mit Kanonen auf Spatzen schiessen‘ könnte auch als Sprichwort formuliert sein, z.B. „Man soll nicht mit Kanonen auf Spatzen schiessen“. Sprichwörter sind kurze Sätze, die auf lange Erfahrungen gründen (Miguel de Cervantes) oder Sprichwörter sind allgemein bekannte, fest geprägte Sätze, die eine Lebensregel oder Weisheit in prägnanter, kurzer Form ausdrücken. (Wolfgang Mieder)      Bei den Sprichwörtern liegt der Schwerpunkt auf ‚Lebensregel‘ und ‚Weisheit‘. Sie können so zu Lebenshilfen werden. Sie sind Volksgut. Die Sprache ist oft bildhaft. Besonders einprägsam sind gereimte, kurze Zweizeiler, z.B. Was ich nicht weiss, macht mich nicht heiss Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen Sprichwörter werden nicht mehr so häufig zitiert, obwohl sie die Lebenserfahrungen ganzer Volksgruppen widerspiegeln und so einen Schatz bilden, der sich noch heute zum persönlichen Vorteil verwenden lässt.      Die mittelalterliche Bevölkerung setzte sich zusammen aus dem Adel, dem Klerus, den Handwerkern und der bäuerlichen Landbe- völkerung. Letztere war zahlenmässig die grösste Gruppe. Die meisten waren Analphabeten, hatten aber ein gewisses Verständnis für das Rechnen, weil sie sich auf den Märkten mit den unterschiedlichsten Masseinheiten und Münzsystemen auseinandersetzen mussten.      Das Wissen der Landbevölkerung und der Handwerker wurde in kurzen Merksätzen, Sprichwörtern und Redewendungen überliefert. Die Interessantesten und Lehrreichsten sind zeitlose Sprachgebilde, die heute noch viel zum Verständnis alltäglicher Begebenheiten beitragen können. Bildhafte Darstellung von über 100 Sprichwörtern und Redewendungen des niederländischen Malers Pieter Bruegel der Ältere.

Sprichwörter – Beispiele

Sprichwort / Bedeutung Der frühe Vogel fängt den Wurm / Wer sich zuerst mit einer Chance beschäftigt, hat die Möglichkeit, sie zu nutzen Die Zeit heilt alle Wunden / Die Zeit heilt alle körperlichen und seelischen Verletzungen Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer / Ein erstmaliges Ereignis muss sich nicht zwangsläufig wiederholen Aphorismen sind Formulierungen einzelner  Gedanken, Urteile, Lebensweisheiten, die in einem Satz oder wenigen Sätzen selbständig bestehen können. Die Autorin oder der Autor ist in der Regel bekannt. Beispiele Wer das erste Knopfloch verfehlt, kommt mit dem Zuknöpfen nicht zu Rande (Johann Wolfgang Goethe) Ich weiss nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber es muss anders werden, wenn es besser werden soll (Georg Christoph Lichtenberg) Es ist dumm, sich über die Welt zu ärgern. Es kümmert sie nicht (Marc Aurel) Geflügelte Worte werden als selbständige Kategorie geführt. Es sind literarische Zitate, Gedanken und Aussagen, die nicht die typische Form eines Aphorismus haben, zum Beispiel: „Veni, vidi, vici“ (Caesar) „Ich kam, sah und siegte“.      Die überhebliche Formulierung lässt sich trefflich mit dem japanischen Sprichwort „Generäle siegen, Soldaten fallen“ kontern.      Sokrates war auf seine Art provokant. „Ich weiss, dass ich nichts weiss“. Caesar wurde ermordet, Sokrates musste den Giftbecher trinken. Beide wurden berühmt, endeten aber erbärmlich.      Die Formulierung ‚geflügelte Worte‘ existierte schon im Altertum. Sie wurde von Georg Büchmann für seine Zitatensammlung als Titel verwendet (Erstausgabe 1864). Das Buch wurde zu einem Bestseller und durfte in keiner Hausbibliothek fehlen. Georg Büchmann